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Das magische Kartenhaus

  • Themenstarter Gelöschtes Mitglied 26332
  • Startdatum

Gelöschtes Mitglied 26332

Ein Märchen:

Der Abend brach an. Traurig starrte der kleine Bob in den Himmel und sehnte sich dies herbei, was die Menschheit schon seit Tagen in den Nachrichten angekündigt bekam: einen Meteoriten-Regen.
Er war bereit, bis zum St. Nimmerleinstag dort auf einem niedrigen Ast in einem alten Kastanienbaum zu sitzen und auf die hoffnungsvoll erwünschten Traumboten zu warten.
Niemand – so dachte Bob – bräuchte sie so notwendig wie er. Sieben Jahre war er nun alt, doch sah man in seine dunklen Augen, könnte manchereiner meinen, er sei schon steinalt. Sehr viel Elend hatten sie bereits erblickt, der Tod hatte ihm alles genommen, was für einen kleinen Jungen notwendig war.

Er hatte seine Eltern schon sehr früh verloren. Erst war da eine Dürre, die über seine Heimat gekommen war, die Hunger mitbrachte und Not. Seine Mutter war die Erste, die das Opfer ihres Lebens erbrachte, um die Gier der unbarmherzigen Sonne zu stillen.
Mit Geschwüren am Leib, erloschenem Blick und aufgeschwollenem Antlitz hatte man sie gefunden – in der letzten Ecke der kleinen Strohhütte, die Bob mit ihr, dem Vater und sechs abgemagerten Ziegen teilte. Der Vater begrub sie hinter einem verdorrten Strauch, im steinigen glutheißen Sand hinter dem Haus. Danach versuchte er alles, um seinen kleinen Jungen am Leben zu halten, gab all seine Kraft, um Nahrung für ihn zu beschaffen.
Es schien, als sollte ihm dies auch gelingen. Zu guter Letzt blieb ihm nichts Anderes mehr, als die geliebten Ziegen zu schlachten. Es gab keine Möglichkeit, dem Jungen den Anblick der toten Tiere zu ersparen, und später dann bedurfte es all seiner Überredungskunst, um den vierjährigen Bob zur Nahrungsaufnahme zu überreden.
Schließlich hatte er ihn und sich selbst vor dem sicheren Hungertod bewahrt, und sie erhofften sehnsüchtig die Zeit des Großen Regens, der auch diese Dürreperiode beenden und die Täler in fruchtbare Erde verwandeln sollte. Schwer hing der Himmel am Horizont voll mit Wolken, doch sie klammerten sich regelrecht fest.
Jeden Morgen, bevor Bobs Vater seinen Jungen nahm und mit ihm kilometerweit lief, um Nahrung und Wasser zu finden, schaute er besorgt in die Ferne und flehte den Himmel an, die Wolken doch näher kommen zu lassen. Es dauerte hingegen noch eine gefühlte Ewigkeit, bis es soweit war. Schließlich wurden sie über Nacht vom Großen Regen überrascht – und mit ihm kam die Sintflut. Binnen Sekunden verwandelte sich der sandige, rissige Boden in Schlamm, und schließlich war das Land überflutet.
Viele Stammes-Angehörige Bobs ließen ihr Leben, darunter war auch sein Vater. Fortan war ein kleiner Junge allein. Er rettete sich, indem er vor der reißenden Flut davon laufen konnte.
Völlig entkräftet kam Bob nach Tagen in einer Missionars-Siedlung an, wo man sich seiner annahm.
Späterhin nahm ihn ein Priester mit nach Deutschland, und dort kam er in ein Waisenhaus. Man lehrte ihn eine fremde Sprache, die er nicht verstand, zeigte ihm Bräuche, die er nicht teilte und zwang ihn zu Gebeten, die sein Herz nicht heilten. Alles war Bob so neu und so fremd, und er war ohne Eltern.
So gingen die folgenden Jahre dahin. Ein kleiner Junge mit braunen Locken und dunklen Augen, die Haut so dunkel wie Kuvertüre, fristete in seinem kleinen Zimmer sein Dasein. Noch immer weigerte er sich, das letzte Stück seiner Heimat verloren zu geben und die Sprache der fremden Menschen zu sprechen. Alles, was ihm Freude bereitete, hatte er von einer wohlmeinenden Nonne bekommen: Es war ein Kartenspiel, und sie zeigte ihm, was er damit anfangen konnte. So saß er Stunde um Stunde ganz allein an einem kleinen Kindertisch und begann, Kartenhäuser in allen möglichen Variationen zu bauen.
Eines Tages war das Haus voller Aufruhr: Freudige Kinderstimmen im Flur schienen ein Ereignis anzukündigen, das ihren tristen Alltag beenden sollte. Neugierig verließ er sein Zimmer und mischte sich unter seine Altersgenossen.
Auch wenn er selbst ihre Sprache nicht teilen wollte, so verstand er doch jedes Wort. Längst schon war ihm die Bedeutung von Sternschnuppen bekannt, dass sich Wünsche erfüllten, wenn man sie sah. Und nun saß er in seinem Baum und wartete darauf, dass sich die Ankündigung erfüllte. Es wurde allmählich dunkel.
In der Ferne vernahm er seinen Namen, wie man ihn rief, wie man ihn suchte, doch es kümmerte ihn nicht. Er würde nicht weichen, bis er eine einzige Sternschnuppe sähe, die ihm seine Eltern zurückbringen würde.
In seinen Händen hielt er sein Kartenspiel und drehte es gedankenabwesend, den Blick zum Himmel gerichtet, hin und her. Er begann, die Karten zu mischen, wie er es sich lange schon angewöhnt hatte, damit er seine Hände beschäftigen konnte. Es tat ihm gut. Die Nacht war noch fern. Bob wusste, dass er die Sterne erst sähe, wenn es ganz dunkel war. Die Zeit strich dahin, und er begann sich zu langweilen. Schließlich glitt er von seinem Ast und setzte sich auf den Rasen unter dem Baum.
Dort legte er das Kartenspiel vor sich hin und begann, etwas zu bauen: Ein Kartenhaus. Etage um Etage wuchs es in die Höhe, und er baute sich sein eigenes Schloss.
Von zweiunddreißig Karten dürfte längst keine mehr übrig geblieben sein, er hielt jedoch noch immer Karten in seinen Händen. Ruhig baute er sein Haus in die kommende Nacht – und wartete auf seinen Stern.
Seine Lieblingskarten waren Bube, Dame und König, dies war seine Familie – symbolisch für Vater, Mutter und Kind. Er hatte die drei Karten beiseite gelegt – und endlich war es soweit: Die Sterne erschienen am Himmel. Seine ersehnte Sternschnuppe hingegen blieb aus.
Irgendwann wurde Bob müde. So sehr er sich dagegen wehrte, zu schlafen: Es war ihm unmöglich, die Augen offen zu halten.
Er schlief ein, in seinem Herzen den Traum von den Eltern, die zu ihm kamen und ihn zu sich holen würden. Zusammengekauert lag er auf dem Rasen, in seinen Händen die drei geliebten Karten. Während er schlief, glitten sie ihm zu Boden und lagen da mit dem Bildnis des Königs, der Dame und des Bubes nach oben. Die Stunden strichen dahin. In tiefster Nacht wachte Bob auf und schaute verwirrt um sich. Er lag auf der obersten Ebene eines riesigen Hauses aus Karten und schaute hinauf in den Himmel.
Links und rechts von ihm bildeten die Bilder Dame und König ein spitziges Dach. Eine Sternschnuppe fiel, und Bob erinnerte sich an seinen sehnlichsten Wunsch: bei Vater und Mutter zu sein. Leise sprach er ihn aus.
Als Antwort hörte er den Ruf seines Namens, der aus den Tiefen seines Kartenhauses zu kommen schien.
Er fühlte eine zarte Hand an seiner Wange zur Linken, und einen starken Arm um seine Schulter zur Rechten. Da wusste der kleine Waisenjunge: Er war wieder daheim.
Als am anderen Morgen die Kinder aus dem Waisenhaus um den Kastanienbaum liefen, fanden sie nur noch … ein Kartenhaus. Es waren gewöhnliche Karten, seltsam war nur: Die Spitze bildete ein Dreieck aus Herz Dame und König, und die Tragfläche des Dreiecks war der Herz Bube.

Die liegende Karte zeigte das Gesicht vom kleinen Bob.

© Sina Katzlach
 

Gelöschtes Mitglied 26332

Liebe Alidona,
beim Lesen hatte ich so ein Gefühl,als hättest du diese Geschichte auch ein wenig für mich hier in
unsere geliebte Kreative Ecke geschrieben,weil ich deine Geschichten und Gedichte so sehr mag.:)

Die Geschichte ist schon ein bisschen älter. Steht als Bonusstory in einem von meinen Romanen. Ich habe sie für dich ausgegraben, das auf jeden Fall stimmt. Ich habe ziemlich viele Geschichten. In meiner Glanzzeit auf BookRix hatte ich so 200 Ebooks auf meinem Profil. Gedichte, Kurzgeschichten, Romane. Die meisten sind jetzt nur noch auf der Festplatte oder in meiner Cloud.
 

Gelöschtes Mitglied 26332

Eine Wüsten-Szene aus "Edens Song" (nicht für unser Projekt, sondern einfach nur so):

***

Beim Anblick seines toten Vaters floh Khalil nach seiner Befreiung durch die Mönche entsetzt in die Wüste. Dort brach er entkräftet zusammen.
Nach Einbruch der Dunkelheit kam er wieder zu sich und zog weiter, ohne zu wissen, wohin. Seitdem irrte der kleine Rekrut einsam und verwirrt durch die Nacht.
Wie weit er sich von seinem Ausgangspunkt entfernt hatte, wusste er nicht. Dort hätte Khalil vielleicht noch einmal Hilfe gefunden, doch sicher war er sich nicht.
Bei Tageslicht orientierte er sich an den Bergen und hielt darauf zu, in der Hoffnung, dort ein Versteck zu finden.
Nun – in einer weiteren wolkigen Vollmondnacht – sah die Wüste ganz anders aus. Dunkle Schatten staken am Horizont groß und bedrohlich gen Himmel. Die Berge schienen näher zu rücken und ihn erdrücken zu wollen.
Obwohl er sie bei Tag als einzigen Zufluchtsort gesehen hatte, fürchtete er sich mittlerweile vor ihnen. Sie erschienen ihm wie Stätten des Todes, voller Geister aus der Vergangenheit.
Je länger er wanderte, umso öfter kam er an den immer gleich aussehenden Felsblöcken vorbei. Khalil drehte sich bereits seit zwei Tagen im Kreis. Die Zunge klebte ihm am Gaumen vor Durst. Der Junge war nackt und über und über mit Sand bedeckt.
Irgendwann – er wusste nicht einmal mehr, wann - im Laufe des ersten Tages hatte sich Khalil seiner verdreckten und zerrissenen Uniform entledigt und sie in einem verdorrten Gebüsch liegengelassen. Einzig seine Stiefel hatte er bei sich behalten, um sich gegen die kommenden Gefahren seines einsamen Marsches zu schützen.
Angeekelt von seinem eigenen erbarmungswürdigen Zustand wälzte er sich im Wüstensand. Bereits verheilte Wunden, die ihm sein Vater zugefügt hatte, brachen dadurch wieder auf.
Als Khalil sich zum hundertsten Mal - so kam es ihm vor - an einem Felsportal, das er sich als markanten Orientierungspunkt hatte merken können, vorbei schleppte, ließ er sich zwischen zwei Steinsäulen sinken und beschloss, das nächste Tageslicht abzuwarten. Er erschlug einen Skorpion und schlang dessen Fleisch würgend hinunter. Aus ein paar dürren Farnen aus seiner Nähe zog er die letzte Flüssigkeit. Ohne Hoffnung legte Khalil sich schlafen.
Bei Sonnenaufgang vernahm er aus der Ferne vielstimmigen Männergesang. Das Klangritual wurde wieder von einer Glocke begleitet.
Die Melodie klang wie von Trauer getragen, düster, so geheimnisvoll wie aus den Tiefen der Zeit. Khalil wähnte sich noch immer träumend, doch als die Stimmen immer näher kamen, kehrte er zurück in die Realität.
Siedend heiß wurde ihm seine Nacktheit bewusst. Zerrissen zwischen dem Wunsch, gefunden und gerettet zu werden, und einem urtümlichen Fluchtinstinkt kauerte er sich tiefer in den Schutz des Hohlraums, den sein Versteck bot.
Zu den Klanggebeten gesellten sich mahlende Geräusche hinzu, und wenig später vernahm er auch das laute Rascheln von Kleidung. Vereinzelt war das Brüllen eines Ochsen zu hören, begleitet von Hundegebell.
Schließlich siegte seine Müdigkeit, sich weiterhin einer aussichtslosen Situation stellen zu müssen. Khalil besann sich auf die Rituale seiner Religion, kniete sich in Gebetsstellung zu Boden und begann, das erste Mal seit Langem zu Allah zu beten. Er hörte sie kommen!

Als er gefunden wurde, verharrte er noch immer in derselben Position. Khalil spürte eine große Männerhand auf seiner Schulter, doch sie war sanft und voller Trost.
 

Gelöschtes Mitglied 26332

Fortsetzung folgt.....Alidona

Ich schalte das Buch wieder frei, dann kannst du die Fortsetzung selbst mitlesen. Es ist soweit fertig, bin nur am Überarbeiten, weil ich den Schluss umschreiben will. Ich komme halt wegen unserem Gemeinschaftsprojekt grad nicht dazu.

Danke, @Lawendy. Link ist ein paar Posts weiter oben. Das Buch heißt "Edens Song".

Ps: Der Text gehört zum Kapitel "Engelsmagie"
 
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Gelöschtes Mitglied 26332

Das ist schön, liest sich wunderbar!
Aber ich werde trotzdem erst Nounoka lesen.... grrrr, wenn ich mal wieder lese und nicht ständig nur hier, im Spiel und in irgendwelchen Bildbearbeitungprogrammen rumhänge :D

Tu das. "Edens Song" ist mein Sorgenkind, mit "Nounoka" bin ich zufrieden. ;)

Apropos: Ganz am Anfang vom Buch hat Dirk eine Session bei einer Wahrsagerin, eben "Nounoka".

Da wollte ich ein Echo durch Wiederholung ausdrücken. Sinngemäß:

"Wir leben im Heute und Jetzt"

"Heute und Jetzt" schallte in meiner Fantasie erst durch Dirks Gedanken, dann durch den Planwagen. Habe das drei Mal untereinander geschrieben. Keiner hat das kapiert, dass das Wiederholung als Stilmittel war. :)
Ich hatte beim Schreiben immer mal Leser um mich herum, die mich berieten. Muss jetzt glatt mal gucken, ob ich dran festhielt oder es anders machte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Fayence

Bekannter Händler
Tu das. "Edens Song" ist mein Sorgenkind, mit "Nounoka" bin ich zufrieden. ;)

Apropos: Ganz am Anfang vom Buch hat Dirk eine Session bei einer Wahrsagerin, eben "Nounoka".

Da wollte ich ein Echo durch Wiederholung ausdrücken. Sinngemäß:

"Wir leben im Heute und Jetzt"

"Heute und Jetzt" schallte in meiner Fantasie erst durch Dirks Gedanken, dann durch den Planwagen. Habe das drei Mal untereinander geschrieben. Keiner hat das kapiert, dass das Wiederholung als Stilmittel war. :)
Ich hatte beim Schreiben immer mal Leser um mich herum, die mich berieten. Muss jetzt glatt mal gucken, ob ich dran festhielt oder es anders machte.
Siehst du :) Ich hoffe du hast es drin gelassen.
Ich finde diese Regeln sind dazu da, um gezielt gebrochen zu werden ;)

Wenn man ausversehen ein Wort wieder und wieder verwendet, ohne dass ein Sinn dahintersteht, dann ist es natürlich blöd. Den Unterschied merkt ein Leser aber.
Oft sieht man einem Text auch an, wenn der Autor krampfhaft im Synonymlexikon geblättert hat! Das ist auch blöd - und die aufmerksamen Leser merken es! Das wirkt dann noch plumper als die Wiederholungen.
 

Gelöschtes Mitglied 26332

Siehst du :) Ich hoffe du hast es drin gelassen.
Ich finde diese Regeln sind dazu da, um gezielt gebrochen zu werden ;)

Wenn man ausversehen ein Wort wieder und wieder verwendet, ohne dass ein Sinn dahintersteht, dann ist es natürlich blöd. Den Unterschied merkt ein Leser aber.
Oft sieht man einem Text auch an, wenn der Autor krampfhaft im Synonymlexikon geblättert hat! Das ist auch blöd - und die aufmerksamen Leser merken es! Das wirkt dann noch plumper als die Wiederholungen.

Ich hab geguckt. Ich habe es dann doch anders gemacht. Habe einfach geschrieben, dass die Worte als Echo durch Dirks Gehirn geistern (grob zusammengefasst). Es ist jetzt zwar handwerklich richtig, aber viel distanzierter.

Naja, es sei. Das Buch kann ich eh nicht mehr ändern, weil es im Verkauf ist. Nachträglich wäre es auch zu kompliziert, wegen eines einzigen Satzes die Passage wieder in den Originalzustand zu versetzen. Hauptsache, ich habe mein Ziel insgesamt damit erreicht.

Dass du dich mit Kritik auseinandersetzt und Gegenwind leistest, gefällt mir. Das ist ein Lernprozess für beide Seiten. Damit meine ich jetzt nicht nur in Hinsicht Schreiben, sondern auch deinen Forenauftritt. Wenn du deine Stacheln aufstellst, muss ich jedes Mal schmunzeln. ;)
 

Fayence

Bekannter Händler
Was nützt einem das schönste Handwerk, wenn der Text danach wie ein Schulaufsatz klingt :D
Wenn alle Literatur der Welt so geschrieben wäre, würde ich es ja glauben. Ist aber nicht so.
Manchmal müssen die Regeln verbogen werden, damit Leben in die Bude kommt.
 

Fayence

Bekannter Händler
Ach ihr seid doch allesamt einfach Gold wert :D

Nachtrag:
Gestern habe ich auf dem Weg in die Stadt am öffentlichen Bücherschrank ein kleines Büchlein herausgezogen.
"Fuchs 8" von George Saunders. Als hätte es nur darauf gewartet, seinen Teil zu unserer Diskussion beizutragen.
Welch ein wiztiger Zufall!

Ihr würdet wahrscheinlich genauso große Augen machen, wie ich gemacht habe.
Es wimmelt von absichtlichen Rechtschreibfehlern (in der Geschichte lernt ein Fuchs die Menschensprache).
Erschienen im Verlag Luchterhand, also ein renommierter Verlag, und nicht nur das, es wurde mit allen Fehlern irgendwie aus dem Amerikanischen übersetzt.
Ich war mehr als überrascht! Es bricht die Regel der korrekten Rechtschreibung komplett.

Mein Freund liest es gerade und lacht. Er meint es lohnt sich, auch wenn es anfangs komisch ist beim Lesen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Gelöschtes Mitglied 29006

Ein Ausschnitt zum Schmunzeln aus "Edens Song":

~ Eden ~


Ein paar Häuser weiter war die Stimmung des restlichen Tages gedrückt. Gabriel tigerte aufgewühlt Stunde um Stunde durchs Haus und war kaum zu beruhigen. Es war lange her, dass Eden querschoss zum Einen und zum Anderen kam er nicht damit klar, dass es wieder losging. Nichtsdestotrotz war es an ihm, Stärke zu zeigen und die Angst seiner Frau zu zerstreuen.

Er sah es ihr an, als sie mit Eden zur Tür hereinkam. Rahels Gesicht war kreidebleich, Schweiß stand ihr auf der Stirn und Eden musste sie stützen. "Was ist geschehen?", fragte er vom Ende des kleinen Korridors aus und bekam keine Antwort. Stattdessen verschwanden die beiden die Treppe hinauf. Ein lautes Türenknallen zeigte ihm an, dass mindestens eine von ihnen ziemlich entrüstet war. Er vermutete mal, es war seine Frau.

Marvin und seine verehrte Gemahlin schossen geeint und erschrocken aus dem Salon, starrten nach oben und Adeela anschließend ihn vorwurfsvoll an. "Was habe ich damit zu tun?", schnauzte Gabriel. "Spar dir deine Blicke."

"Nein, nicht die Harfe!", erklang ein Schrei aus Edens Zimmer. Zu dritt rannten sie die Treppe hinauf und kamen gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Rahel tobte. Das Zimmer sah aus wie ein Schlachtfeld, ein Fenster war zerbrochen. Gabriel stürzte durch den Raum und fiel seiner Frau in den Arm, als sie ganz offenbar im Begriff war, das Instrument in den Garten zu werfen. Eden saß schluchzend in einer Ecke und bot einen Anblick, der ihm ins Herz schnitt und böse Erinnerungen in den Anwesenden weckte.

Gabriel umklammerte mit beiden Armen Rahels sich sträubenden Leib und blickte wild und hilflos um sich. Es fiel ihm schwer, nicht zu schreien. Marvin kam ihm zu Hilfe und nahm Rahel die Harfe weg.

Fast augenblicklich verstummte Edens stoßweises Schluchzen. "Ich weiß nicht, was sie hat", piepste sie mit einer ganz zarten Kleinmädchenstimme, die ganz und gar nicht nach Eden klang. "Ganz plötzlich begann Mommy, mit mir zu schimpfen und wie ein Holzfäller zu fluchen."

Adeela fiel auf, dass aus "Mom" wieder "Mommy" geworden war, was ihr zu denken gab. Während Marvin und Gabriel damit beschäftigt waren, die gruselige Furie in Rahel zu zähmen, setzte sie sich neben Eden und nahm sie in den Arm. "Kannst du mir sagen, was genau deine Mom so geärgert hat?" Das Mädchen kuschelte sich an ihre Brust und zuckte mit Schmollmund die Achseln. "Ich weiß es nicht sicher, aber ich glaube, es ist wegen Khalil."

Für Rahel schien dieser Name ein Stichwort gewesen zu sein. Mit einer erstaunlichen Kraft befreite sie sich aus der Umklammerung der beiden Männer, stemmte die Hände in die Hüfte und glotzte Marvin wild ins Gesicht. "Dein Schützling macht sich an unsere Tochter heran", klagte sie den Sünder vorwurfsvoll an. "Du hast ihn hergebracht."

Eden schmiegte sich noch enger an und hätte sich wohl gern irgendwohin verkrochen, wo sie niemand fand. Fahrig strichen ihre Hände ihrem menschlichen Kuschelkissen über den Leib, fast schien es, als ob sie etwas suchte. Plötzlich krähte eine freche Kinderstimme durch den Raum und ließ alle vergessen, was vorher war: "Adeela ist schwanger." Eden giggelte haltlos. "Ein Babieeee ..."

Schlagartig änderte sich die Atmosphäre. Fassungslos plumpste Marvin auf Edens Bett und fuhr sich durchs Haar. Seine Musketiermähne löste sich auf, ein Haargummi schoss durch den Raum und landete fast auf Rahels Nase.

In Gabriels Magen bildete sich ein Klumpen, und er wurde rot. 'Nein, du darfst jetzt nicht lachen', sagte er sich.
 

Gelöschtes Mitglied 29006

Romantitel: Edens Song, Kapitel: Sturmnachtmelodie, Unterkapitel siehe wie folgt:

~ Der * mit * dem * Wind * spricht ~

Mit den Elementen zu reden, hatte der Indianerjunge von seinem Vater gelernt. Bereits mit drei Jahren bekam er eine Flöte aus Bambus und lernte, darauf zu spielen.
Dass Eden ihn Pan nannte, ahnte er natürlich nicht, doch bald würde er es erfahren. Auch, dass sein Instrument magisch war, wusste er erst seit diesem Tag. Es war ein seltsames Gefühl gewesen, zu spüren, dass ein anderes Wesen seine Welt mit ihm teilt.
Er wusste auch noch nicht, wie das Mädchen hieß. Was er indessen erfühlte: Es war eine Squaw. Wie seine Mutter!

Normalerweise angelten seine Eltern nur auf dem See, doch heute war alles anders. Sein Vater hatte erzählt, dass es beim großen Wasserfall Lachse gab. Also waren sie im Morgengrauen flussaufwärts gepaddelt, um welche zu fangen. Er blieb wie üblich am Ufer. Das Wetter war schön gewesen und das erste Mal heiß. Viel zu heiß, wie sich später herausstellen sollte. Am Nachmittag waren seine Eltern noch nicht zurück, und Pan bekam Angst.
Normalerweise lebten sie in den Bergen. Zweimal im Jahr verließ seine Familie den Stamm, und diese Zeit verbrachten sie zu dritt am Großen See.
Sie nutzten die Reise, um ihren Ursprung zu zelebrieren und wie ihre Ahnen zu leben. Dasselbe lehrten sie auch ihm, ihrem Sohn. Seinen Namen hatte der Junge von seiner Mutter erhalten, die gesagt hatte, dass er dadurch lernen würde, die Schöpfung zu lieben und sie zu nutzen.

Die Sonne brannte erbarmungslos auf ihn herab, als er begriff, dass seine Eltern nicht zurückkehren würden. Die ersten Stunden hatte er noch gehofft, nach ihnen gerufen und auch ein bisschen geweint.
Er wusste, dass er nicht allein auf den See oder in den Fluss gehen dürfe, und Pan hatte gelernt, zu gehorchen. Der Abend käme bald, und er saß immer noch vor einem Tipi aus Ziegenfell und starrte aufs Wasser.
Neben ihm lag seine Flöte, noch vergessen und stumm. Das Instrument war sozusagen ein Gemeinschaftsprojekt. Der gesamte Stamm hatte beim Suchen und Ernten der besten Bambusrohre geholfen, gebaut hatte die Panflöte sein Vater. Natürlich handgeschnitzt und gebunden, wie es sich gehörte.
Zwanzig Röhren schmiegten sich eng aneinander, die Töne waren so klar wie Wasser in einem See. "Mehr wirst du nicht brauchen", hatte seine Mutter vor zwei Jahren zu ihm gesagt, als er sich eine größere Panflöte wünschte. "Du bist 'Der-mit-dem-Wind-spricht', dir wird alles gelingen. Spiel deine Musik mit dem Herzen und lausche der Antwort."
Was sie damit gemeint hatte, begriff Pan erst heute. Kurz vor Sonnenuntergang suchte er Trost und spielte auf seiner Flöte. Er feierte alte Stammesweisen, die er im Lauf der Jahre gelernt hatte.
Schon bei den ersten Tönen saßen plötzlich lauter Tiere um ihn herum und waren sein Publikum. Ihm wurde leichter ums Herz, er schöpfte Hoffnung.
Pan ging zum Fluss und schaute hinauf. Es kam jedoch kein Kanu mit seinen Eltern darin.
Der Himmel wurde allmählich schwarz, am Horizont hingen die ersten Wolken, doch Pan harrte aus. Er kehrte zu seinem Zelt zurück, kleine Waldtiere folgten ihm auf Schritt und Tritt. Er spielte ein Trauerlied.
Plötzlich fühlte er ein fremdes Wesen in seinem innersten Ich. Auch diese Seele spielte Musik. Es war eine gänzlich andere Melodie, ein anderes Instrument. Er spürte, dass sie ihm helfen wollte, mehr noch: Dass sie ihm etwas zu sagen hatte. Mit seiner Panflöte teilte er der Squaw seine Angst um seine Eltern mit und rief sie zu sich.
Seitdem wusste er, dass sein Instrument magisch war. Er dankte dafür, dass seine Mutter ihm diesen Namen gab: Er war "Der-mit-dem-Wind-spricht".
Was mit seinen Eltern geschehen war, sagte ihm das Mädchen nicht. Sie versprach ihm jedoch, zu ihm zu kommen und ihm zu helfen. Er müsse sie führen mit seiner Musik.
Die Wartezeit überbrückte Pan damit, sich vorzubereiten. Nachdem die Harfe verstummt war, zog der Himmel zu. Die Tiere, die bei ihm gewesen waren, sprangen ins Wasser und schwammen ans andere Ufer des Sees. Er durfte ihnen nicht folgen, seine Mutter hatte es ihm verboten. Fast wollte er wieder verzagen, doch dann packte ihn Zorn: Er hatte von seinem Vater gelernt, zu überleben, egal was passiert. Starke Windböen zerrten streitsüchtig an seinem Tipi, als er hineinkroch und alles ans Freie holte, was darin war: Sein Tomahawk, ein Bocksbeutel für Wasser, eine Decke aus Ziegenfell, zwei Messer, ein langes Seil und ein Weidenkorb, worin sich alles befand. Den Korb konnte er sich auf den Rücken schnallen, falls er flüchten musste.
Er nahm das Seil heraus, legte seine Panflöte in seinen Korb und schützte sie sorgfältig mit der großen Decke, die er nachts mit seinen Eltern teilte, wenn sie hier lebten. Er verzehrte die letzte Ration Fladenbrot, die ihm geblieben war. Voller Kummer betrachtete er das vom Wind gebeutelte Zelt: Es bot keine Sicherheit mehr, wenn der Sturm kam.
 
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