Zwergenaufstand oder Verschwörung?
Ori Eisenfuß strich sich nachdenklich über seinen Bart. Dieses Feenmädchen, Majarhi, das vorhin bei ihm gewesen war gab ihm Rätsel auf. Sie war so offen und freundlich gewesen, fast als wäre sie gar keine Fee. Er hatte allerdings eine Nachricht vom König unter dem Berg, Heropi, überbracht bekommen. Die aus Unur neu eingetroffenen Lehrlinge Fili, Kili, Nori und Gloin, der Sohn seines Bruders Oin, hatten sie mitgebracht. Die Nachricht informierte ihn darüber, das Majarhi die auserwählte Prinzessin der Feen war.
Sie hatte vorhin ohne jedes Vorurteil mit ihm gesprochen und sich so verhalten, als wäre sie nur eine Botin des Refugiums. Wenn sie eines Tages das Feenvolk anführen würde, wer weiß, vielleicht kämen dann ja bessere Zeiten. Noch war sie allerdings in seinen Augen ein Kind, erst 17 Jahre alt. Er hatte schon die Krönung von Sidhe vor 50 Jahren erlebt, das war, kurz nachdem die Feen zurück nach Elvenar gekommen waren und die meisten Zwerge sich nach Unur zurückgezogen hatten. Wie alt mochte Sidhe da gewesen sein? Anfang 20 vielleicht... er war jetzt im besten Zwergenalter, 210 Jahre alt, damals also etwa 160. Aber die Feen hatten ein so langes Leben wie sie es haben wollten.
Heutzutage waren eigentlich nur noch die Schmiede in den Stahlmanufakturen und ein paar Braumeister in Elvenar. Ohne Erdbeerbier war ja das Leben eines Zwerges hier in der Fremde nicht lebenswert, oder?
Er ging durch den Betrieb und sah nach, wie weit die verschiedenen Produktionslinien waren. Stahl, Platin und die neuerdings sehr begehrten brennenden Barren waren alle fast fertig. Wenn die Schmelzen für die Nacht mit frischem Material befüllt wären, könnten alle Zwerge für heute Feierabend machen. In der Lehrgiesserei winkte er die Lehrlinge zu sich. "Habt ihr die Schmelzkessel gefüllt? Richtiges Verhältnis der Rohstoffe eingehalten und Mana-Zufluss runtergeregelt?" "Ja klar Meister Ori!" antwortete Kili. "Gut dann macht Feierabend. Wir können in die Amuni-Bar gehen, ich möchte mit euch sprechen. Keine Angst, es ist mehr Privatsache. Ihr macht eure Arbeit gut." Die junge Zwergenfrau und die drei jungen Zwergenburschen rannten in Richtung der Umkleideräume.
Nach kurzer Zeit kamen sie vergnügt und sauber gekleidet, mit frisch geflochtenen Bärten (außer Fili, die hatte frisch geflochtene Zöpfe) aus dem Tor der Stahlmanufaktur. Ori legte noch die Versandpapiere für Morgen in den Ausgangskorb und ging auch hinaus.
Sie gingen die alte Zwergenstrasse nach Süden. Obwohl sie im Gänsemarsch liefen, wichen andere Passanten ihnen aus, Ori Eisenfuß war ein Zwerg von sehr stattlicher Gestalt und strahlte Autorität aus. Vorbei an den Gebirgshallen gegenüber der Manufaktur, in denen sie alle behagliche unterirdische Wohnungen bewohnten, der Logistikzentrale namens "Wirbel der Aufbewahrung", dem alten Kristall-Leuchtturm, den Bädern der Kampftruppen und auf der anderen Seite dem moderneren Leuchtturm der Nachbarschaft, den die Amuni gebaut hatten, hinter dem geheimnisvollen Dschinn um die Ecke und da war die kleine wie eine Pyramide gebaute Bar.
Sie setzten sich in eine Ecke und die jungen Zwerge sahen Ori neugierig an.
"Nun, es ist so. Ihr müsst mir schwören, Stillschweigen zu bewahren, bis die Situation sich geklärt hat." Die Vier nickten alle begeistert. "Gut. Ihr habt mir eine Nachricht gebracht. Wisst ihr, was drin stand?" Alle vier schüttelten den Kopf. "Nie hätten wir es gewagt, das Siegel des Königs zu brechen!" "Dann sage ich euch ein bisschen was. Nicht viel... das darf ich nicht. Und ob ich damit richtig handele, euch überhaupt einzuweihen, wird die Zukunft zeigen.
Also, hier auf Elvenar lebt seit Jahren eine Tochter der Feenkönigin Maddhar. Das war geheim, und wenn ich richtig liege ist es das auch immer noch. Allerdings lebt sie jetzt seit 2 Tagen im Refugium und läuft in der Stadt herum. Heute Vormittag habe ich sie kennen gelernt. Ein außergewöhnliches Mädchen. Ob sie weiß, was die Zukunft ihr noch bringen wird kann ich nicht sagen, aber ich glaube, sie ist in Gefahr. Ich habe nun beschlossen, jeden Tag einem von euch frei zu geben damit er dafür sorgt, das ihr nichts passiert. Eure Ausbildung wird ja trotzdem schnell Fortschritte machen, so begabt wie ihr alle seid." Vier Augenpaare starrten ihn an.
"Ein Feenmädchen beschützen?" fragte Nori. "Denkt ihr nicht auch es wäre mal Zeit, diese alte Fehde mal abzuhaken und unter den Schotter zu harken?" Alle Vier sahen verlegen auf den Tisch. Das Erdbeerbier stand duftend zwischen ihnen und verlor langsam die Schaumkrone. "Haben die Feen uns nicht aus unserer Siedlung hier vertrieben?" fragte Gloin. "Dein Bruder, mein Papa, hat mir davon erzählt. Ich war da ja noch ganz klein." "Das ist leider wahr. Aber die Zeiten waren anders damals. Ich habe die ganzen Jahre seitdem hier verbracht, und den Feen ist es am Ende ja genau so gegangen wie uns. Sie sind auch fast alle fort." "Als die Orks kamen?" "Genau." "Und nun, denkt euch, ein verzauberter Goblin lebt im Garten des Refugiums. Die Feen haben ihn aufgenommen. Was die können sollten wir doch auch schaffen! Prosit!"
Alle Fünf hoben die Krüge mit dem duftenden Erdbeerbier und leerten sie in einem Zuge. Dann bestellten sie noch eine Runde.